Der sagenumwobene Pestbildstock (1721)

Die Sage vom Pestbildstock:

Auf dem Weg nach Eiersheim steht unweit der scharfen Biegung am Ortsausgang [von Uissigheim] ein Bildstock. Von jeher wird er der Pestbildstock genannt. Er zeigt in der rechten Hälfte den Hl. Sebastian an einen Baum gebunden und von Pfeilen durchbohrt. Das Mittelfeld ist von einem großen, beflügelten Engel beherrscht, der mit der linken Hand auf den Heiligen deutet. Seine rechte Hand hält einen Edelmann. Dieser Fürst ist in einen weiten Mantel gehüllt und gegürtet. Das Schwert steht halb aus der Scheide heraus. Zu Füßen des Engels steht ein Hund, der zum Heiligen hinübersieht. Der Bildstock, der auf viereckiger Säule steht, trägt am Sockel die Inschrift: "GOTT ZU EHREN SBM ./. BM 1721 :/:" Der obere Teil des Bildstocks, vermutlich ein kreuzähnlicher Abschluß, ist abgeschlagen.

(...)

Das rätselhafte Bildnis mag die Bewohner des Dorfes zu der Pestgeschichte angeregt haben, wie man sie heute noch erzählt: In jener Zeit hätte in Eiersheim die Pest übel gehaust. Fast das ganze Dorf sei von der Seuche befallen gewesen und einige Bewohner hätten sich nur dadurch am Leben erhalten, dass sie nach Uissigheim gekommen wären -eben an die Stelle, wo heute der Bildstock steht- um sich das von Uissigheimern bereitgestellte Essen abzuholen.

Aber auch umgekehrt wird erzählt: In Uissigheim hätte die Pest gewütet und Eiersheimer Einwohner hätten ihren Nachbarn Essen an jene Stelle gebracht und dort niedergestellt. Die Uissigheimer hätten es dann, wenn die Eiersheimer wieder den Heimweg angetreten hatten, abgeholt. Damit sollte eine Ansteckung vermieden und eine Übertragung der Seuche nach Eiersheim verhindert werden.

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Quelle: Siegel, Hans Werner "Zwischen Tag und Dunkel - Sagen und Geschichten aus dem Taubergrund", Verein Tauberfränkische Heimatfreunde e.V. Tauberbischofsheim (Hrsg.), 1982


Inschrift auf dem Bildstock:

Gott zu Ehren

SB M ./. B M

1721 :/:


Das merkwürdige Bildmotiv des Uissigheimer Pestbildstocks

Warum sind auf dem Bildstock ein edler Mann in langem Mantel und mit halb gezogenem Schwert, ein Engel mit Hund und ein an einen Baumstamm gefesselter und von Pfeilen durchbohrter Mann zu sehen?

Bildstockstifter haben früher auf ihrem Bildstock gerne -oft als Nebenbild- auf ihren Namenspatron bezug genommen.

Bei der auf dem Bildstock rechts im Bild dargestellten Person handelt es sich ja aufgrund des gezeigten Martyriums (von Bogenschützen mit Pfeilen beschossen) zweifelsfrei um den Heiligen Sebastian. Dieser gilt als Schutzheiliger gegen die Pest und andere Seuchen, womit er alleine natürlich schon seine Berechtigung auf dem Pestbildstock hätte. (Oder wurde dem Bildstock im Laufe der Jahrhunderte bloß aufgrund der Abbildung des Hl. Sebastian Name und Funktion des Pestbildstocks zugeschrieben?) In Kombination mit der für sich alleine recht kryptischen Inschrift Gott zu ehren / SB M .,. BM / 1721 liegt also die Vermutung nahe, dass der wohl mit seinen Initialen SB M genannte Stifter den Vornamen Sebastian hatte. (B M wären demnach höchstwahrscheinlich die Initialen seiner Ehefrau. Der damals in der Region gängigste weibliche Vorname, der mit B beginnt, war Barbara.)

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Betrachtet man nach dieser Logik nun die links auf dem Bild sitzende Person eines edlen Mannes mit Mantel und halb gezogenem Schwert und denkt an den vermutlich mit M beginnenden Nachnamen des Stifters, so drängt sich der Verdacht auf, dass diese mysteriöse Person in der linken Bildhälfte niemand anderes als Sankt Martin (Mantel, halb gezücktes Schwert...) sein dürfte. Ein Blick ins Uissigheimer Telefonbuch erhärtet diese Vermutung, denn noch heute kommt im Ort ein zu dieser These passender Nachname rel. oft vor: Martini

Ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, dass der Bildstock im Jahre 1721 von einem Uissigheimer Ehepaar namens Sebastian und B(arbara) Martini gestiftet worden ist.

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Aber auch wenn diese Vermutung stimmt, heißt das noch lange nicht, dass in der Legende des Pestbildstocks nicht doch ein Fünkchen Wahrheit liegt, denn vorherige Überlegungen ließen ja noch die Mitte des Bildes unberücksichtigt. Da sich keinerlei Bezug zwischen der Heiligen Barbara und einem Engel oder gar einem Hund als deren Heiligenattribute herstellen läßt, suchte ich nach diesen beiden Symbolen bei anderen Heiligen - und stieß auf Rochus von Montpellier (ca. 1295-1327). Rochus wurde zwar von der Kirche nie offiziell als Heiliger anerkannt, vom Volk aber dennoch bereits seit dem 14. Jahrhundert als solcher verehrt. Rochus soll der Legende nach im Jahr 1317 nach Rom gepilgert sein und unterwegs intensiv bei der Pflege von Pestkranken geholfen haben. In Piacenza (Italien) soll er sich dann schließlich auf seiner Rückreise im Jahr 1322 selbst mit der Pest infiziert haben, woraufhin er sich Gott empfohlen und in eine einsame Waldhütte zurückgezogen haben soll. In dieser wurde er dann aber der Legende nach von einem Engel wieder gesund gepflegt und während dieser Zeit vom Hund eines Junkers mit Brot versorgt. (Daher werden für Rochus gerne u.a. die Symbole Hund und Engel verwendet.) Nach seiner Gesundung vom Schwarzen Tod kehrte Rochus angeblich sofort nach Piacenza zurück und heilte dort weiterhin die Pestkranken, bis er die Pest in dieser Stadt besiegt hatte.

Es ist naheliegend, dass auch Rochus damit im Volk schnell zu einem Schutzheiligen der Pestkranken wurde und jahrhundertelang sogar einer der populärsten Heiligen war. Den Höhepunkt seiner Verehrung erreichte er zu den Zeiten der großen Pestepidemien im 17. Jahrhundert (Dreißigjähriger Krieg).

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Der Bildstock wurde laut Inschrift im Jahr 1721 errichtet - meines Wissens also schon mindestens einige Jahrzehnte nach der letzten Pestepidemie in der Gegend. Da aber nun Rochus kaum als weiterer Namenspatron auf den Bildstock gefunden hat, wäre eine andere Erklärung möglich: Das Ehepaar Martini wollte einen Bildstock stiften. Da der Ehemann nunmal Sebastian hieß und der entsprechende Namenspatron ein Schutzheiliger gegen die Pest ist, kam man vielleicht aus diesem Grund auf die Idee, als Standort für den Bildstock die Stelle zu wählen, an welcher die Eiersheimer den Uissigheimern während derer letzten Pestwelle Nahrung abgestellt hatten. So konnte man den persönlichen Stiftungsgrund noch mit einem gemeindlichen, allgemeineren verbinden, was der Wertschätzung des Bildstocks sicherlich nicht abträglich war. Da Sebastian (wie Martin) nun aber vor allem in seiner Funktion als Namenspatron auf den Bildstock sollte, wurde noch Rochus hinzugenommen, um der denkwürdigen Geschichte des Errichtungsorts auch wirklich gerecht zu werden.

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Damit wäre das außergewöhnliche, einmalige Bild des Flurdenkmals am schlüssigsten erklärt und die Legende des Pestbildstocks müsste dennoch nicht völlig verworfen werden. (Bloß dass der Bildstock erst nachträglich die Stelle der Nahrungsbereitstellung markierte.)

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